Texte
Gedanken zu den Malerei-Installationen von Elisabeth Schink
Peter Lodermeyer
„Die Liebe zur Malerei“, um einen Buchtitel von Isabelle Graw zu zitieren, hat viele Gesichter. Sie kann zum Beispiel dazu führen, dass man sich als Künstler oder Künstlerin dazu entschließt, die klassischen Maltechniken, die herkömmlichen Malmittel und Bildträger, ja sogar das Malen selbst aufzugeben, um die Malerei vor dem Verschleiß ihrer Potentiale zu bewahren. Aus Liebe zur Malerei kann man aus der Malerei im engeren Sinne aussteigen, nur um das „Malerische“ – wie auch immer man es definieren möchte – zu bewahren. Elisabeth Schink ist eine Künstlerin, die immer wieder solche Schritte der Erweiterung ins Dreidimensionale und Installative unternommen hat, indem sie Objekte, Skulpturen und ganze Raumensembles gestaltete – um sich dabei doch nur in immer weiteren Spirallinien um ihren Ausgangspunkt, die Malerei, zu bewegen.
Das Leitmotiv, mehr noch: die Antriebkraft der Kunst von Elisabeth Schink ist die Lebensenergie oder Vitalkraft, die Mensch und Tier, Mensch und Natur miteinander verbinden. Die Verbundenheit alles Lebendigen miteinander, ihr gemeinsamer vitalistischer Grundimpuls, bringt sie in provozierenden Projekttiteln wie „Wir sind alle Einzeller“ zum Ausdruck. (Neuere Zählungen haben übrigens ergeben, dass sich etwa 39 Billionen, in Zahlen: 39.000.000.000 Bakterien in jedem menschlichen Körper befinden. Rechnet man aus der Zahl der menschlichen Zellen die zellkernlosen Blutzellen heraus, bedeutet dies, dass in unserem – aber was heißt dann „unser“? – Körper etwa zehnmal so viele Einzeller befinden wie „menschliche“ Zellen.)
Die biologische Zelle als das Umgebensein des Nukleus von einer cytoplasmatischen Umgebung ist als abstraktes Schema, als Formmotiv immer wieder und in unterschiedlichsten Ausformungen im Werk von Elisabeth Schink zu finden: eine zentrale Rundform, umgeben von einer mehr oder minder diffusen, informellen Zone. Sie findet sich, um hier nur die neueren, im weitesten Sinne malerischen Arbeiten zu erwähnen, in Bildern, in denen sich im Zentrum einer dynamisch und expressiv aufgetragenen, aus Acryl und Tusche gebildeten Farbform voller informeller Binnenstrukturen je ein kreisförmig ausgeschnittenes Foto befindet. Die Fotografien zeigen Kinder in Bewegung, aber in eigentümlicher Verfremdung: Sie sind mit einer Wärmekamera aufgenommen und zeigen so die vitale Energie, die von ihnen ausstrahlt. Das Formenschema von Kern und Hülle erweist sich bei genauerem Nachdenken als höchst ambivalent, es erlaubt der Künstlerin, Urmotive von Geborgenheit, Schutz und Versteck ebenso zu formulieren wie solche des Eingeschlossen- und Gefangenseins. Dabei kann im Akt der Betrachtung die eine Assoziation in die andere umschlagen.
Es ist, nach allem bisher Gesagten, nur konsequent, dass die Künstlerin, die stets nach dem vitalen Verbundensein der Lebensformen sucht, ihre Bilder nicht als isolierte Einzelstücke betrachtet. Immer mehr interessiert es sie, ihre Arbeiten selbst miteinander in Beziehung zu setzen, in Installationen als Ensembles zu arrangieren, sodass sie untereinander und mit dem Raum kommunizieren. In diesen installativen, auf die jeweiligen Raumgegebenheiten abgestimmten Situationen werden die Bilder verstärkt als materielle, objekthafte Entitäten erfahrbar, die in Beziehung miteinander treten und Zusammenhänge erkennen lassen. Indem man sich als Betrachter in die Installation hineinbegibt, einen Platz in ihr einnimmt, wird das Schema von Zentrum und Umgebung erneut aktiviert. Von Malerei (im weitesten Sinne) körperlich umgeben zu sein, statt ihr nur als reines Auge – sofern es das gibt – gegenüberzustehen, ermöglicht einen umso intensiveren Kontakt zwischen dem Werk und seinen Betrachtern.
P. Lodermeyer, Kunsthistoriker, Kunstkritiker, Bonn 2020
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Pur, ursprünglich, verbunden mit der Erde und allen Creaturen
Meine Kunst fußt in dem Glauben an eine alles verbindende Energie.
Diese Energie spüre ich.
Ich forme die Erde mit meinen Händen und ertaste mit den nackten Füßen den Grund.
Die Haut vom Wind gestreichelt.
Kleine Sauerstoffmoleküle finden den Weg in meinen Körper. Sie öffnen alle schlafenden Räume der Stille und weiten und besänftigen alle vollen Räume des Überdrucks. Ihr Tanz ist rhythmisch und wie befreiende Musik.
So bin ich verbunden mit allen Creaturen über die Erde, in der meine Füße wurzeln, und über die Luft, die mein Blut pulsieren lässt.
Die Haare voller Spatzen und Leichtigkeit, sicherer Stand auf unserer Erde.
Getragen und beschützt. ( Text: Elisabeth Schink, Köln 2020)
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Elisabeth Schink
(Übersetzung Christoph Heek / Text, Peter Nijenhuis, Arnhem NL, Orginaltext siehe unten)
Ich gehe vor allem gefühlsmäßig zu Werke und nicht so sehr vom einem Konzept oder einer Idee aus. Ich bin mal in Ägypten gewesen. Da verkauften sie eine bestimmte Sorte Eisengaze, die mich sehr ansprach. Ich habe eine Rolle dieser Gaze gekauft und mit zurück nach Deutschland genommen. Erst tat ich gar nichts mit dieser Rolle. Eines Tages aber saß ich in meinem Garten und sah einen jungen Baum, der die Form eines Blattes hatte. Für dieses Bäumchen wollte ich ein geeignetes Kleidungsstück machen. Dieses Kleidungsstück wurde dann eine Umhüllung aus jener ägyptischen Eisengaze. Es beschützt das Bäumchen. Später dachte ich dann, dass dieses Beschützen gleichzeitig ein Gefangenhalten war.
Was meine Intuition und mein Gefühl in Gang setzt, sind diese Arten von Polaritäten, Gegensätze wie Leben und Tod, das Ursprüngliche und das Kultivierte, hell und Dunkel, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit. Zwischen diesen Polen bewegt sich die Lebensenergie, die ich in meinen Arbeiten sichtbar und fühlbar zu machen suche. In meinen älteren Werken wurde diese Lebensenergie personifiziert durch das imaginäre Wesen, Kwiwi, das sich in meinen Installationen in Zelten und Kästen verbarg und allein durch sein manchmal ungemütliche Gewimmer, Geröchel und Schmatzgeräusche wahrnehmbar war.
Seit 2012 beschäftigen mich die Bienen. Für mich stehen sie für das Leben selbst. Ihre soziale Art und die Tatsachen, das sie den Nektar, den die Blumen mit Hilfe des Sonnenlichts produzieren, zu Honig verarbeiten, spielt dabei eine bedeutende Rolle. Ihre Existenz und ihre Erscheinung scheinen auf eine bildnerische Art die Lebensenergie zu symbolisieren. Nicht minder bedeutsam ist es für mich ´, dass die Bienen gegenwärtig durch eine ökologische Katastrophe getroffen werden. Pestizide sind inzwischen tief in das Ökosystem eingedrungen und dadurch sind normale, von Blumen kommende Nahrungsstoffe für die Bienen zum Gift geworden. Bienen verlieren durch die Pestizide ihr Orientierungsvermögen, können nicht mehr zu ihren Bienenkörbe zurückfinden und sterben. Mein Interesse für die Bienen brachte mich zuerst dazu Imker in Deutschland, Polen und den Niederlanden zu besuchen. Ich habe viel fotografiert. Es fasziniert mich, dass Bienen aus nächster Nähe betrachtet völlig anders aussehen als erwartet. Sie sind zum Beispiel sehr behaart, fast wie kleine Bären. Ihre Formenwelt ist prachtvoll und variantenreich. Die Wabe ist formal abstrakt, geometrisch und luftig.
Die Bienenkolonie bietet dagegen in dem Moment, in denen die Bienen bei der Arbeit sind und durcheinander kriechen, eine sehr archaischen (“aardse” hat ganz viele Bedeutungen. Keine Ahnungen, was DU und Peter hier meinen) Anblick und Formensprache. Die Herausvergrößerungen aus meinen Fotoaufnahmen habe ich zum Teil übermalt, um bestimmte Teile nach vorne zu holen und wieder andere zu verdecken. Ich habe einst als Malerin angefangen. Und ich male immer noch sehr deutlich und expressiv, aber im Laufe der Zeit bekam ich die Neigung Teile der der Bilder wieder dem Auge zu entziehen oder eine zusätzliche transparente Lage darüber zu legen. Ich vermutete, dass es eigentlich niemand so kräftig und nackt sehen wollte, wie ich es gemalt habe.
Die Neigung eine extra Lage anzubringen habe ich beibehalten. Das Geometrische und Luftige der Formenwelt der Bienen findet sich in Form ehemaliger Wäschebehälter in meinen Installationen zurück. Ich fand sie zufällig in einem Geschäft und habe sie als ready-mades gebraucht. Was mir gefällt ist, das die Installation nicht mehr ist als eine tote Hülle, bis das Sonnenlicht darauf fällt und alles bewegt und lebendig macht. Ursprüngliche und archaische Formen spielen die Hauptrolle in den kleinen Booten aus Beton, die mit toten Bienen gefüllt sind. Boote aus Beton scheinen nicht sehr geeignet zu sein, um damit zu fahren.
Sie stehen mit sich selbst im Widerspruch. Das gilt auch für die Abbildung eines Karussells aus Betonbooten, denn um Runden in der Luft im Karussell zu drehen eignen sich Betonboote ebenfalls nicht. Karussells beschäftigen mich seit meiner Kindheit in Polen. Ich war verrückt nach Karussells. Was mich fasziniert, ist die Idee, dass man im Kreis fliegt aber nicht wirklich wegfliegt. Das könnte man manchmal schon wollen, aber wenn es plötzlich Realität würde, wäre es ziemlich gefährlich. Du siehst, dass ich nicht umsonst davon sprach, dass Gegensätze oder Polaritäten in meinem Werk eine bedeutende Rolle spielen.
http://peternijenhuis.blogspot.com
Elisabeth Schink
Ik ga vooral gevoelsmatig en intuïtief te werk en niet zozeer vanuit een idee of concept. Ik ben ooit in Egypte geweest. Daar verkochten ze een bepaald soort ijzergaas dat me erg aanstond. Ik heb een rol van dat gaas gekocht en mee terug naar Duitsland genomen. Eerst deed ik er niets mee. Op een dag zat ik in mijn tuin en zag ik een jonge boom die de vorm van een blad had. Voor dat boompje wilde ik een geschikt kledingstuk maken. Het kledingstuk werd een omhulsel van dat Egyptische ijzergaas. Dat beschermde het boompje, maar weer later bedacht ik, dat dit beschermen gelijktijdig een gevangen houden was.
Wat mijn intuïtie en mijn gevoel aan het werk zet zijn dit soort polariteiten, tegenstellingen als leven en dood, het ongepolijste en het beschaafde, licht en donker, zichtbaarheid en onzichtbaarheid. Tussen die polen beweegt de levensenergie die ik in mijn werk zichtbaar en voelbaar probeer te maken. In mijn eerdere werk werd de levensenergie gepersonifieerd door het denkbeeldige wezen, Kwiwi, dat zich in mijn installaties verborg in tenten en kasten en alleen door zijn soms onsmakelijke gekreun, gehijg en smakgeluiden waarneembaar was.
Sinds 2012 houden bijen me bezig. Voor mij staan bijen voor het leven zelf. Hun sociale aard en het feit dat ze de nectar, die bloemen produceren met behulp van het zonlicht, verwerken tot honing, speelt daarbij een grote rol. Hun bestaan en verschijning lijken op een beeldende manier te staan voor de levensenergie. Niet minder van belang voor mij is dat bijen op dit moment worden getroffen door een ecologisch rampenscenario. Pesticiden zijn inmiddels diep binnengedrongen in het ecosysteem en daardoor zijn de normale, van bloemen afkomstige voedingsstoffen voor bijen gif geworden. Bijen raken door pesticiden hun oriëntatievermogen kwijt, kunnen hun korven niet terugvinden en sterven. Mijn belangstelling voor bijen bracht mij er in eerste instantie toe om imkers te bezoeken in Duitsland, Polen en Nederland. Ik heb veel gefotografeerd. Wat me fascineert, is dat als je bijen van dichtbij bekijkt, ze er anders uitzien dan je zou verwachten. Ze zijn bijvoorbeeld heel harig, net kleine beertjes. Hun vormenwereld is weelderig en rijkgeschakeerd. De honigraat is abstract, geometrisch en luchtig van vorm.
De bijenkolonie, op het moment waarop de bijen aan het werk zijn en bij elkaar krioelen, biedt daarentegen weer een heel aardse aanblik en vormentaal. De uitvergrotingen van mijn foto-opnames heb ik deels overgeschilderd om bepaalde delen naar voren te halen en weer andere toe te dekken. Ik ben ooit begonnen als schilder. Ik schilder nogal uitgesproken en expressief, maar kreeg na verloop van tijd de neiging om mijn schilderijen deels weer aan het oog te ontrekken of een extra, transparante laag aan te brengen. Ik vermoedde dat niemand het eigenlijk zo fel en naakt wilde zien, zoals ik het schilderde.
De neiging om een extra laag aan te brengen, heb ik vervolgens behouden. Het geometrische en luchtige van de vormenwereld van de bijen komt terug in mijn installatie van wat oorspronkelijk kleine wasmandjes waren. Ik vond ze bij toeval in een winkel en heb ze als ready-mades gebruikt. Wat me bevalt, is dat de installatie niet meer is dan een doods omhulsel, totdat het zonlicht erop valt en alles beweeglijk en levendig maakt. Ongepolijste en aardse vormen spelen een hoofdrol in de kleine betonnen boten die gevuld zijn met dode bijen. Boten van beton lijken niet echt geschikt om te varen.
Ze zijn met zichzelf in tegenspraak. In tegensprak met zichzelf is ook de afbeelding van een carrousel van betonnen boten. Om rondjes te draaien in de lucht is een betonnen boot ook niet echt geschikt. Carrousels houden me bezig vanaf dat ik nog kind was in Polen. Ik was dol op Carrousels. Wat me boeit is het idee dat je rondvliegt, maar niet echt wegvliegt. Dat zou je soms wel willen. Als dat echter plotseling realiteit zou worden, zou dat tamelijk gevaarlijk zijn. Je ziet, ik zei niet zomaar dat tegenstellingen of polariteiten in mijn werk een belangrijke rol spelen.'
Peter Nijenhuis, Kunstkritiker, 2019
Weblog: De Wereld Werkt in Arnhem
http://peternijenhuis.blogspot.com
Intention
Phänomene, die mit unserer Lebensenergie, unserer Lebenskraft in Verbindung stehen, faszinieren mich. Psychische menschliche Prozesse werden am Beispiel der Natur bildnerisch gefasst. Die Spannung zwischen sichtbarem und unsichtbarem wird untersucht. Natur und Zivilisation treffen dabei aufeinander. Fragen nach Schutz suchen und Schutz geben; nach Urwesenhaftigkeit kommen auf.
Seit 2005 begleitet akustisch das Kunst - Urwesen „Kwiwi“, als Personifizierung der Lebensenergie, meine Installationen.
2012 ist die Biene als ein „Urwesen“ in den Fokus gerückt.
Ortung Biene
Ich besuchte Imker in Kleve, in der Lüneburger Heide, in Polen und in den Niederlanden. Interviewte die Imker und fotografierte bei kommerziell und nicht kommerziellen, umweltbewussten Imkern. Ein wichtiger Part der Arbeit ist der Prozess des Erforschens, das Beobachten und Fotografieren, auch sound aufnehmen. Exploration und Imagination treffen dabei aufeinander. Poetisch transformiert, zeigen sich die Arbeiten dem Betrachter.
„Station E“ 2011
Mehrfach verlässt Elisabeth Schink in den letzten Jahren die Zweidimensionalität ihres Werkes zugunsten raumfüllender Installationen, die dem Besucher über seine passive Rolle des Betrachters hinaus ein haptisches und mehrdimensionales Erleben ermöglichen. So gleicht die Rauminstallation „Station E“ für die ehemalige Generatorenhalle der Niederrheinwerke in Viersen einem Gesamtkunstwerk, das die Bereiche des Visuellen und Akustischen auf der Basis der emotionalen Wahrnehmung miteinander vereint. Neben in Gaze gehüllte Baumskulpturen, die für sich schon die Frage nach Schutzsuchen und Schutzgeben aufwerfen, sowie ebensolchen Gazebildern, lenken aufstrebende Plexiglasbänder vom Bodenmuster der Halle in die Höhe, wo schwebende Raumskulpturen aus großen Moskitonetzen fragil und schutzbedürftig die Sinne animieren. Gewundene Schaumstoffschläuche scheinen wie organische Tentakel die unterschiedlichen Dimensionen zu verbinden, in die sich, wie von einem fremden Wesen, seltsame Geräusche mischen. Sie stammen von dem Kunst-und Urwesen „Kwiwi“, das das Werk von Elisabeth Schink seit längerer Zeit begleitet. Ihre Rauminstallation „Station E“ ähnelt einer Haltestelle, die Fragen aufwirft nach dem was war, was ist und was kommen wird.
Dr. phil. Christian Krausch
Verbindungen
Ein Gespräch über die Kunst: Im Atelier treffen Gedachtes und Gehandeltes aufeinander. Vielleicht ist ein Gespräch gehandeltes Denken. Sprechen als Steigerung des Gedachten. Vielleicht ist ein aufgenommenes Gespräch die Steigerung des Kommunizierten. Das liegt an der Wiederholbarkeit. Die Antworten bleiben. Einmal ausgesprochen, muss sich der Gedanke beweisen. Den Beweis für seine Haltbarkeit erbringen. Am anderen Ende der Ewigkeit liegt der Untergang. Ein Bild kann gedacht werden. Ein Bild kann gemalt werden. Gibt es eine Welt zwischen Gedanken und Handlung?
„Ich komme aus der Malerei“, sagt Elisabeth Schink. Ein Satz, der Poesie offenbart. Dann: Entwicklung. „Früher ging es mir um die Bewegung im Bild. Heute atmet die Fläche. Es geht um Oberflächen. Um die Tiefe im Bild. Tiefe ist eine feinere Form der Bewegung. Atmende Bewegung. Ich arbeite aus dem Gefühl – aus der Emotion heraus. Alles andere kommt später dazu. Mir gefallen Arbeiten, die verschiedene Ebenen in sich haben.
Es freut mich, wenn meine Arbeiten andere berühren – wenn Menschen sich angeregt fühlen. Das kann Anregung zu innovativen Gedanken sein. Trotzdem gibt es natürlich einen Zeitgeist. Zeitgeist bedeutet für mich, dass ein Gedanke nicht einzigartig ist, sondern an verschiedenen Stellen – in verschiedenen Köpfen auftaucht und gedacht wird. Kunst ist immer ein Ort, an dem Neues entstehen kann, frei für Experimente.
Mein Ausgangspunkt sind Dinge, die mich berühren … beschäftigen … begeistern. Darüber hinaus erschließt sich in meinen Installationen immer eine gesellschaftliche Komponente. Ich denke da an meine verpackten Bäume. Die sind geschützt. Aber sie sind auch gefangen. Das lässt sich natürlich auf die Menschen, also auf soziale Zusammenhänge übertragen.
Arbeit
Ich arbeite an vielen Orten. Das kann das Atelier sein. Arbeit findet auch im Unterwegssein statt. Die Idee und die Arbeit sind zwei Sachen, die nicht an denselben Ort gebunden sind. Ideen können sich aber auch aus dem Tun entwickeln.
Material
Oft kann es passieren, dass ich etwas sehe und dann denke: Daraus machst du jetzt etwas. Zum Beispiel die Bäume: Die Gaze, der Draht also, mit dem ich jetzt die Bäume einnähe, habe ich in Ägypten in einem kleinen Laden entdeckt. Die hatten draußen auf der Straße ganz viele Rollen davon. Da kam das Gefühl auf: Davon musst du jetzt unbedingt etwas mitnehmen. Dann hatte ich ein Material, aber es passierte zunächst einmal gar nichts, bis ich – das war eine ganze Zeit später – einen Baum sah, der etwas Kränkliches hatte. Da entstand der Gedanke: Dafür kannst du jetzt die Gaze benutzen. Den packst du jetzt ein.
Üben
Für mich ist es das Sehen. Das Hinsehen. Das Denken in Bildern. Licht und Schatten sehen. Strukturen erkennen. Ich stehe an einer roten Ampel und suche die Umgebung nach interessanten Strukturen ab.
Gibt es eine Rangliste in Bezug auf Malerei, Fotografie …? Bei mir läuft vieles parallel. Es gibt in meinem Werk verschiedene Stränge. Da sind die Gaze-Arbeiten, die Garteninstallationen, Fotografie … Malerei spielt immer eine Rolle.
Intentionen
Ich möchte überraschen. Mir gefällt es, wenn Menschen sich meine Arbeiten ansehen und sich fragen „Wie macht die das?“ oder „Was ist das denn?“ oder „Das hab‘ ich ja noch nie gesehen“. Ich finde das wunderbar. Überhaupt liebe ich Überraschungen, und natürlich kann es passieren, dass ich mich selbst überrasche.
Verbindungen
Ich finde es wichtig, dass Kunst die Möglichkeit eröffnet, das Schwierige, das Problematische mit dem Schönen zu verbinden. Ein Bild kann auf der obersten Schicht eine eigene Schönheit haben, hinter der sich aber etwas Gebrochenes verbirgt. Womit ich wieder bei der Gaze bin. Das ist ja ein Material, das an seiner Oberfläche etwas sehr Feines hat. Wenn ich dann allerdings darunter eine zerrissene Pappe platziere, entsteht eine zweite Ebene – eine Ebene, die weniger Leichtigkeit abstrahlt. Es sollte nicht einfach beim Schönen bleiben. Kunst kann Widersprüchliches vereinen. Aus der Gleichzeitigkeit dieser Ebenen wächst dann Spannung.
Finden
Wenn bei einer Gruppenausstellung jemand zum Beispiel meine Installation „Suche nach Kwiwi“ sieht und sagt „Das ist doch von der Schink“, dann freut mich das natürlich. Fest steht doch: Egal, um welchen Strang meiner Arbeit es geht: Das bin immer ich. Irgendwann bin ich bei einem Ausstellungsprojekt darauf gekommen: Ich bin ein Erdvogel. Erdvogel – das ist die Verbindung von Schwere und Leichtigkeit. Ich verbinde gern.
Zentrum
Im Zentrum meiner Kunst ist die Suche nach der Lebenskraft. Das Spannende liegt ja auch in der Frage: Woher kommt diese Kraft. Manchmal gibt es ja zwei fast gleiche Bilder. Das eine hat es. Und das andere nicht. Natürlich gibt es einen Unterschied. Aber der lässt sich nicht benennen.
Suchen
Kunst betrachten heißt immer auch: Sich selbst in etwas wiederzufinden. Das ist der erste Moment. Verbindung zu mir. Im zweiten Moment geht es dann darum, was noch drin steckt. Auch hier geht es wieder um Verbindungen. Verbindungen zu anderen.
Kontakte
Als Künstler hast du viele Existenzen. Die wenigsten können doch von ihrer Kunst leben. Mir ist der Kontakt zu den Kollegen wichtig. Kontakt hat eine Bedeutung für die eigene Identität. Es tut gut, sich zugehörig zu fühlen. Ich brauche eine Vernetzung mit der Welt. Ich kann nicht nur verbindungslos in meinem Atelier sitzen. Verbindung ist ein zentrales Wort für mich.
Ende
Natürlich kommt es vor, dass ich zu viel mache – mehr tue, als ein Werk braucht, um fertig zu sein. Es gibt aber auch oft genug den Punkt, an dem ich spüre: Das war’s jetzt. So kann es bleiben. Das ist jetzt fertig. Bei manchen Werken weiß ich es nicht genau. Da hilft dann zeitlicher Abstand. Jedes Werk ist ein Punkt auf einem Weg. Mit Ausstellungen ist es genauso.
Wenn es ein Ziel gibt, dann ist es das: Immer künstlerisch arbeiten können und dabei ernst genommen werden – das ist ein Gefühl. Wir kommen wieder zu diesem Wort: Verbindung. Da fängt Vieles an. Da hört alles auf.
Heiner Frost 2010